Unerschöpflich oder erschöpft?

Unerschöpflich oder erschöpft?

 Wir ziehen noch einmal um. Alles wartet darauf, eingepackt oder auseinandergebaut und transportfähig gemacht zu werden. Ja, und dann sind da auch die Bücher. Bücher über Bücher. Fachbücher, zumeist mit wichtigen Themen und Fragestellungen aus Theologie, Mission, Glaube und Bildung. Ratlos stehe ich vor dieser Bücherwand. Unsere neue Wohnung wird kleiner sein. Was soll mit und was nicht, das haben wir schon in den anderen Zimmern durchexerziert. Aber jetzt sind die Bücher dran… Sich von Büchern trennen, wie soll das gehen? Ich brauche ein Kriterium, eine Hilfe, um auszusortieren. Mir fällt mein damaliger Pfarrer ein, der uns Konfirmanden einst die Frage stellte: „Stellt euch einmal vor, ihr müsst aus eurem Hause fliehen und ihr könnt gerade noch ein Buch greifen, bevor ihr fort müsst. Welches Buch wird das sein?“ Ich weiß nicht mehr, was ich vor 45 Jahren antwortete, aber jetzt fällt mein Blick auf die verschiedenen Bibelausgaben. Ich weiß jetzt sicher, dass ich nach meiner alten zerlesenen Bibel greifen würde, wenn ich auf der Stelle fortgehen müsste. Was bliebe dahinten? Mein Blick schweift über die Bücherregale, und mit den Buchtiteln werden Zeiten der Klärung und Ergründung verschiedenster Lebensthemen aus Theologie und Glaube wieder lebendig. Ich stelle fest, dass sehr viele Bücher im Grunde nur wie Denkmäler dastehen. Ihre Inhalte sind längst erschöpft. Ihre Themen sind in allen Einzelheiten behandelt und vollständig erörtert, meine Fragen beantwortet und ich konnte weitergehen. Aber meine zerlesene Bibel ist das bis heute nicht! Ihr Inhalt ist so umfangreich und tiefgehend, dass ich sie niemals vollständig erschöpfen kann. Jetzt habe ich mein Kriterium. Neben der Bibel selbstverständlich, die unerschöpflich ist, dürfen nur Bücher mit, die noch nicht erschöpft sind. Ich reiße mich zusammen und beginne mit meiner teilweise schmerzlichen Auswahl. So wandert plötzlich Buch für Buch in die Kartons für das Altpapier, von mir erschöpfte, aufgebrauchte, vollständig verbrauchte Bücher mit erschöpften und erledigten Themen. Als ich fertig bin, fühle ich mich erleichtert. Nun liegt vieles endgültig hinter mir. Ein paar besondere Erinnerungsbücher aus Kindheit, Jugend und Studium und ein paar Klassiker sind durchgeschlüpft. Sie haben sich einen Platz in den Umzugskartons gesichert neben anderen Büchern, die noch nicht erschöpft sind. Mir wird das zum Gleichnis für Menschenbildung. Wir schreiten darin fort und lassen etliche hilfreiche Quellen nach und nach ausgeschöpft hinter uns zurück. Aber die eine unerschöpfliche Quelle dafür, das Wort Gottes, das uns zu dem lebendigen Wort, Jesus, selber leitet, lassen wir nie hinter uns zurück.

Joachim Pomrehn
(Ph.D., Columbia International University) Auf ein Studium der Theologie in Deutschland und der Schweiz folgte eine Zeit der Gemeindearbeit, pastoralen Seelsorge und Begleitung von Christen mit dem Ziel der ...
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27.09.2018